Kapitel 3.3: Die Beziehungs-/Bedürfniswaage

Oftmals sind Dinge einfacher, als wir denken!

Beziehungen können im Gleichgewicht sein oder aus genau diesem geraten.  Nur wenn die Beziehungen immer wieder ihr Gleichgewicht finden, haben sie eine Chance, lange zu halten.

Dieses Gleichgewicht lässt sich besonders gut durch eine Waage veranschaulichen.

In diesem Beispiel geht es um eine Beziehung mit einem Lebenspartner. Natürlich kann diese Beziehungswaage auch auf einen beruflichen Kontext übertragen werden, denn auch hier sollte zwischen den Mitarbeitenden und den Vorgesetzten eine Beziehung bestehen, die aus geben und nehmen beider Seiten beruht.

Nun aber zu dem Beispiel aus dem privaten Kontext:

In der einen Waagschale befindet sich die Gefühlswelt von, nennen wir sie Petra, in der anderen die von Nils. Die beiden haben sich gerade kennen gelernt und sind sehr verliebt.

Die Waage ist ausgeglichen und beide Partner glücklich.

© Ulrike von Rohr

Beispiel 1:

Nils und Petra haben verschiedene Definitionen für den Begriff „Ordnung“. Während Nils die Küche schon als unaufgeräumt empfindet, wenn ein benutzter Teller herumsteht, ist Petras Ordnungsbegriff weiter gefasst. Jedes Mal, wenn Nils nach Hause kommt, räumt er eine halbe Stunde in der Wohnung auf. Petra hingegen macht Nils Aufräumaktivitäten wahnsinnig, denn sie hat nach ihrer Arbeit bereits einiges im Haushalt erledigt und für sie ist der damit hergestellte Grad der Ordnung ausreichend.

© Ulrike von Rohr

Um die Beziehungswaage wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, spricht Petra Nils eines Tages auf das Thema an und beschwert sich, dass sie seinen Ordnungswahn anstrengend findet. Sie erklärt ihm, dass sie nicht bereit ist, mehr im Haushalt zu tun. Seine Reaktion überrascht sie sehr: Er empfindet das Aufräumen am Abend entspannend. Er sagt: „Es ist beruhigend und zudem befriedigend, denn man sieht sofort den Erfolg seines Handelns.“ Sie erkennt, dass es nicht nur um einen Ordnungswahn geht und keine Kritik sein soll. In Zukunft akzeptiert sie sein Handeln, auch wenn sie manchmal im Geheimen die Augen verdreht. Wenn es ihr zu viel ist, zieht sie sich in ihr gemeinsames Arbeitszimmer zurück und liest ein Buch, bis er fertig ist. Das wiederum ist für Nils absolut in Ordnung, denn er erwartet gar nicht, dass sie mitmacht.

Die Waage kommt wieder in das Gleichgewicht.

© Ulrike von Rohr

Beispiel 2:

Der Nachwuchs ist da und die Zeit des Ausschlafens vorbei. Beide wollen Elternzeit nehmen. Nils übernimmt die ersten Monate. An zwei Abenden möchte er zum Sport und bittet Petra, an dem einen Abend pro Woche schon um 18 Uhr zu Hause zu sein. Petra kann diesen Wunsch nicht erfüllen, denn ihr Beruf verlangt manchmal Überstunden. Nils ist nach einigen Wochen wirklich böse mit ihr. Er meint, dass er sich den ganzen Tag um das Kind kümmere und erwartete, dass an zumindest zwei Abenden seine Bedürfnisse erfüllt werden könnten.

© Ulrike von Rohr

Um die Bedürfniswaage wieder ins Gleichgewicht zu bringen, setzen sich Nils und Petra eines Abends bei einer gemütlichen Tasse Tee zusammen und überlegen, wie sie das Problem lösen könnten. „Nils, wenn ich es nicht einrichten kann, pünktlich zu Hause zu sein, dann hat das nichts damit zu tun, dass ich deine Wünsche nicht genügend respektiere. Ich habe mit Kunden zu tun“, führt sie fort, „und die Geschäftsleitung erwartet von mir, dass ich dringende Anfragen sofort bearbeite. Was hältst du davon, wenn wir uns einen Babysitter besorgen, der die Zeit überbrückt, bis ich nach Hause komme? Dann kannst Du planen und definitiv zum Sport gehen und ich muss meine Kunden nicht verärgern?“

Nils findet die Idee sehr gut und sie entscheiden, es in Zukunft genauso zu machen. Die Beziehungswaage pendelt zurück in das Gleichgewicht:

© Ulrike von Rohr

Beispiel 3:

Petra vermisst die gemeinsamen Abende mit ihren engsten Freundinnen. Jedes Mal, wenn sie sich (nach Ansprache mit Nils) verabredet hat, ist Nils trotzdem sauer, dass er nun auch am Abend alleine mit dem Kind sein soll. Petra vermisst die Gespräche mit ihren Freundinnen und beschwert sich, dass Nils auch seine Abende hätte, an denen er zum Sport mit seinen Freunden gehen kann.

© Ulrike von Rohr

Nils versteht ihren Standpunkt und lässt sie auch mit ihren Freundinnen weiterhin Zeit verbringen. Die Beziehungswaage pendelt zurück in das Gleichgewicht:

© Ulrike von Rohr

Beispiel 4

Drei Monate später erlebt Petra eine Überraschung: Als sie nach einer Geschäftsreise nach Hause zurückkommt, findet sie im Wohnzimmer einen riesigen Fernseher und eine Dolby-Surround-Anlage, die für ihre Begriffe überdimensioniert ist. Sie ist unglaublich wütend, dass diese Entscheidung nicht gemeinsam getroffen wurde.

© Ulrike von Rohr

Es gibt einen riesigen Streit. Daraufhin treffen die beiden eine Vereinbarung, dass sie größere Anschaffungen ab einem bestimmten Wert niemals ohne Rücksprache mit dem Partner machen wollen. Die Beziehungs- und Bedürfniswaage pendelt zurück in das Gleichgewicht:

© Ulrike von Rohr

Diese Beziehungs- / oder Bedürfniswaage bezieht sich nur auf Partnerschaften im Privatbereich, sondern ist auf alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens übertragen werden. Sie lässt sich für das Familien- und das Berufsleben ebenso einsetzen, wie für das Mannschaftsteam oder die Nachbarn!

Die Grundlage guter Beziehungen sind immer eine sich immer wieder ausgleichende Bedürfniswaage. Dies ist nur zu erreichen, wenn es als Aufgabe aller Beteiligten gesehen wird. Die kleinen Dinge, die wir im täglichen Leben für unsere Partner machen, sind viel wichtiger, als wertvolle Geschenke zum Geburtstag und zu Weihnachten!

Und: Es ist natürlich selbstverständlich, dass sich beide Partner auch an Absprachen halten müssen, sonst funktioniert es nicht!

Im nächsten Buchkapitel geht es um das Thema „Kommunikation“. Dieses Wort wird in so vielen Zusammenhängen genutzt, dass es für viele Menschen sehr schwammig geworden ist in seiner Definition. Es gibt sehr einleuchtende Modelle, die die zwischenmenschliche und ursprüngliche Mensch-zu-Mensch-Kommunikation beschreiben. Sie helfen zu verstehen, in welche Fallen wir treten können, wenn wir miteinander kommunizieren und wie wir diese erfolgreich umschiffen können. Alles weitere findet ihr in Kapitel 4 hier

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