In diesem Kapitel sind Situationen geschildert, wie Kinder vom Neugeborenen bis zum jungen Erwachsenen heute oftmals erzogen werden. Einiges kommt euch mit Sicherheit bekannt vor!
Vom Neugeborenen, welches vom ersten Tag an die Familie regierte
Für Neugeborene ist es die ersten Wochen schwer, einen Rhythmus zu finden. Ob sie ihn bekommen können, liegt auch am Geschick der Eltern. Experten sind hier sehr geteilter Meinung. Während die einen sagen: „Immer füttern, wenn sie Hunger haben!“, raten die anderen „zu der Einführung geregelter Mahlzeiten!“.
Forscher haben herausgefunden, dass Babys in den ersten Lebensmonaten nicht begreifen können, dass Eltern eventuell nur den Raum verlassen haben, wenn sie sie nicht mehr sehen. Sobald Eltern aus dem Gesichtsfeld der Bays verschwinden, fühlen sie sich alleine gelassen. (Quelle 2.2) Deshalb ist es in den ersten Monaten wichtig, den Bedürfnissen des Kindes nachzukommen. Mit zunehmendem Alter könnten die Bezugspersonen jedoch versuchen, das Baby an Rhythmen zu gewöhnen. All dies setzt natürlich voraus, dass Eltern und Kind gesund sind und in einem entsprechenden Umfeld leben. Wie Eltern mit diesem Thema umgehen, ist höchst individuell und muss liegt natürlich im Ermessen der Erziehenden.
Vom Kleinkind an der Supermarktkasse
Selbst wenn ihr selber noch nie in der Situation mit einem Kleinkind wart, so habt ihr alle diese Geschichten indirekt schon mitbekommen:
An der Supermarktkasse ist eine kleine Kundenschlange entstanden. Ein Elternteil steht mit dem 3-jährigen Kind an der Kasse und kommt an dem Regal mit den Schokoladenriegeln vorbei. Ihr ahnt schon, was passiert: Es dauert nicht lange und das Kind bekommt seinen ersehnten Schokoladenriegel. (Quelle 2.3)
Die Geschichte vom kleinen Alex, der nicht mehr zum Fußball wollte.
Alex ist 7 Jahre alt. Er hat sich überlegt, dass Fußball spielen eine tolle Sache sein könnte und entwickelt sich nach kurzer Zeit zu einem guten Torwart. Nach mehreren Monaten hat er jedoch eine Phase, in der er nicht vorankommt und zudem auch noch Ärger mit dem Trainer hat, weil er ständig zu spät kommt. Auch im Team gibt es Streit. Deshalb beschließt er eines Tages, mit dem Sport aufzuhören, und erscheint fortan nicht mehr zum Training. Die Eltern nehmen die Entscheidung kommentarlos hin.
Die Geschichte von Steffi, die sich nicht wohl fühlte und an dem Tag nicht in die Schule ging – aber auf die Geburtstagsparty am Nachmittag
Steffi ist in der dritten Klasse, und es sind nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Sommerferien. Die Noten sind festgesetzt und es „passiert“ nicht mehr viel im Unterricht. Als sie am Morgen aufwacht, hat sie leichte Bauchschmerzen. Sie möchte zu Hause bleiben, was ihre Mutter befürwortet. Am Nachmittag ist sie allerdings zu einer Geburtstagsparty eingeladen, zu der sie natürlich unbedingt möchte. Nach einiger Diskussion wird es ihr erlaubt.
Im Restaurant gilt Regelfreiheit
Sandra und Kai hatten sich auf das gemeinsame Essen zum Muttertag in ihrem Lieblingsrestaurant sehr gefreut. Natürlich waren auch ihre beiden 4- und 7- jährigen Kinder dabei. Nach dem Essen wollten die Kinder nicht mehr still am Tisch sitzen und begannen auf die Sitzbank zu steigen. Sämtliche Ermahnungen seitens der Eltern schlugen fehl und so gaben Sandra und Kai nach einigen Minuten auf und erlaubten den beiden aufzustehen. Daraufhin rannten die beiden immer wieder laut rufend durch das Restaurant, wodurch sich einige andere Gäste gestört fühlten. (Quelle 2.4)
Als Grundschülerin vergaß Amelie andauernd ihren Turnbeutel
Es passierte nicht nur einmal, dass die verträumte Amelie ihren Turnbeutel vergaß. Manchmal war es auch das Material für den Kunstunterricht. Amelie lernte schnell, dass das nicht schlimm war, weil ihre Mutter ihr die fehlenden Sachen immer pünktlich zur Pause in die Schule brachte. Heute ist Amelie 16 Jahre alt. Zwar bringt ihre Mutter keine Turnbeutel mehr in die Schule, aber sie fängt Amelies „kleinen Versäumnisse“ immer noch auf. In Amelies Schule hatten die Schüler die Aufgabe in einem vorgegebenen Zeitraum ein einwöchiges Praktikum zu absolvieren, um Einblicke in das spätere Berufsleben zu bekommen. Dazu sollten sie sich für einen Praktikumsplatz in einem Unternehmen bewerben. Schon zu Beginn des Schuljahres war die Aufgabe klar formuliert. Die Monate vergingen und trotz Stefanies konstantem Nachfragen, begann Amelie nicht mit der Suche. 5 Wochen vor dem Beginn griff die Mutter, wie auch in den Jahren davor, ein und kontaktierte Freunde und Bekannte auf der Suche nach einem Praktikumsplatz. Schließlich fand Stefanie eine Möglichkeit bei einer Freundin, die sich allerdings ein Bewerbungsschreiben von Amelie wünschte. „Das wird sie machen“, sagte Stefanie zu ihrer Freundin, „sobald Amelie vom Rockfestival zurückgekommen und wieder so fit ist, dass sie eine Bewerbung schreiben kann.“
Als Stefanie in der Deutschklausur in der 11. Stufe eine schlechte Note bekam
Stefanie wollte unbedingt ein gutes Abitur erarbeiten und lernte viel für die Klausuren. Deutsch lag ihr allerdings nicht und so fiel die Note in ihrer Klausur nicht besonders gut aus. Ihrer Mutter hingegen gefiel die Arbeit und meinte, dass sie eine bessere Note verdient hätte. Nachdem jegliche Diskussion mit dem Lehrer nichts gebracht hatte, schaltete sie den Anwalt ein und verabredete einen Termin mit dem Schuldirektor, um rechtliche Schritte gegen die Klausurnote einzuleiten. Was lernt Stefanie? „Ich mache keine Fehler, es sind die anderen“.
Sobald ein Jugendlicher 18 Jahre alt ist, kann ihm nichts mehr vorschrieben werden
Eine 12-jährige ist auf einer Geburtstagsparty eingeladen. Da das Haus des Geburtstagskindes mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut zu erreichen ist, holt die Mutter sie ab. Als sie eintrifft, sind schon einige andere Mütter da, und man setzt sich zu einem Kaffee kurz zusammen. In dem Alter scheinen die Jugendlichen besonders interessiert an den Gesprächen der Erwachsenen und so dauert es nicht lange, bis sich auch die jungen Damen und Herren zu den Erwachsenen gesellen. Bald kommt das Thema auf den älteren Bruder des Geburtstagskindes, denn die anderen Mütter wollen wissen, ob er nach seinem gerade bestandenen Abitur schon Pläne hat. „Ach je“, stöhnt die Mutter, „der macht mir ganz schöne Sorgen! Er kann sich nicht entscheiden, was er studieren soll und macht auch nichts, um zu einer Entscheidung zu gelangen! Jetzt liegt er bis mittags im Bett und ich bekomme ihn da einfach nicht raus!“ Eine andere Mutter fragt erstaunt: „Wie kannst du das zulassen?“ und bekommt die Antwort „Naja, er ist jetzt über 18, da kann ich ihm doch nichts mehr sagen!“. Diesen Kommentar hört auch das jüngere Kind und weiß schon, was in Zukunft Sache ist.
„Mein Kind mag laute Musik“
beklagt sich eine Mutter, und meint weiter: „aber Anton ist ja über 18 Jahre, was soll ich da noch sagen!“ Schade nur, dass es andauernd Streit mit der jungen Mutter gibt, die in der Etage darüber wohnt und deren Kind nicht einschlafen kann.
Wenn Kinder bei Bundesjugendspielen nicht mehr gewinnen, streben Eltern über eine Petition zur Abschaffung an
Als eine Mutter ihr weinendes Kind in den Armen hielt, weil es lediglich eine Teilnahmeurkunde von den Bundesjungendspielen nach Hause brachte, beschloss sie, eine Petition zur Abschaffung dieser Spiele anzustreben. Schnell fand sie Leidgenossen, denn eine andere Mutter twitterte „ich habe selbst leidvoll erlebt, dass man ohne eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen in der Klasse massiv abgewertet wird.“ Christine Finke, Stadträtin aus Konstanz, setzte diese Idee gleich um mit dem Argument: Die Bundesjungendspiele seien für unsportliche SchülerInnen eine alljährlich wiederkehrende öffentliche „Demütigung“ (Quelle 2.5).
Natürlich treffen die oben angeführten Beispiele nicht auf alle Familien zu, aber wir erleben diese und ähnliche Situationen in unserem Umfeld häufig. Bemerkenswert ist, dass in all den Beispielen die Bedürfnisse des Kindes im absoluten Vordergrund stehen.
Auch unser Schulsystem und die Rolle der Erziehenden haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung unseres Nachwuchses. Mehr zu diesem Thema lest ihr im Kapitel 2.3: hier.